Bericht in der Beilage „Heimat am Meer“ der Wilhelmshavener Zeitung v. 28. März 2020
Copyright „Wilhelmshavener Zeitung“
Da der Text auf dem Bild schwer zulesen ist hier noch einmal in vollem Umfang:
Schuhmacher als Reform-Theologe
LANDESGESCHICHTE – Adolph Kolping vor 175 Jahren zum Priester geweiht
WILHELMSHAVEN. (sto) Adolph Kolping stammte aus ärmlichen Verhältnissen in Kerpen bei Köln und wurde vor 175 Jahren zum katholischen Priester geweiht. Er entwickelte sich anschließend zum herausragenden katholischen Sozialreformer und baute das nach ihm benannte Kolpingwerk auf.
Diese Organisation wirkt bis heute als internationaler Sozialverband mit rund 440 000 Mitgliedern in über 5000 Gemeinschaften und 50 Ländern. Der Verband ist vom Charakter her ein kirchlicher Laienverein und vertritt politisch die Interessen der Arbeitnehmer.
Arm aufgewachsen
Mittendrin das Kolpingwerk Wilhelmshaven, das sich inzwischen Kolpingfamilie nennt. Diese Gemeinschaft wurde im März 1883 gegründet, hatte 10 Jahre später schon rund 100 Mitglieder, richtete 1899 den ersten überregionalen Kolpingtag aus und kann im März 2020 auf eine 137jährige Geschichte im Dienste des sozialen Gemeinwohls zurückblicken.
Adolph Kolping wurde am 8. Dezember 1813 in Kerpen bei Köln geboren. Der Ort liegt in der Jülich-Zülpicher Börde, wurde 871 als „Kerpinna“ erstmals urkundlich erwähnt und gehörte als habsburgische Erbmasse lange zu Spanien. Durch den Wiener Kongress kam Kerpen zur preußische Rheinprovinz. Heute ist die Stadt der größte Ort des Rhein-Erft-Kreises mit der Kreisstadt Bergheim.
Bei Kolpings Geburt war der antinapoleonische Befreiungskrieg im vollen Gange. Der Junge war das vierte von fünf Kindern seiner Eltern. Als Vater ist Peter Kolping überliefert, der in den Quellen als Schustergeselle, Lohnschäfer und Kleinbauer angegeben wird. Als Mutter gilt Anna Maria Zurheyden.
Der Junge wuchs in großer Armut auf, wurde sehr religiös erzogen und konnte zunächst nur die einklassige Volksschule besuchen. Der körperlich schwächliche Junge wurde danach in eine Schuhmacherlehre gegeben. Er ging danach als Geselle auf die traditionelle Wanderschaft, vervollkommnete sich in seinem Handwerk und lernte deutschlandweit die soziale Not kennen.
Parallel bildete sich Kolping im Selbststudium mit eiserner Disziplin weiter. Mit 24 Jahren bestand der Schuhmachergeselle dann die Aufnahmeprüfung für das Marzellen-Gymnasium in Köln. Kolping legte das Abitur ab, studierte ab 1841 nacheinander in München, Bonn sowie Köln Theologie und wurde von prominenten Lehrern geprägt.
Fast gleichzeitig mit dem Tod des Vaters erfolgte am 13. April 1845 in Köln seine Priesterweihe. Das war eine Zäsur in seinem Leben. Danach wirkte er als Kaplan der Laurentius-Kirche in Elberfeld, wo er nun als Priester mit der sozialen Not des Gesellenstandes und der Industriearbeiter konfrontiert wurde.
Soziales Netz geknüpft
Kolping vertröstete nicht nur auf das Jenseits. Er wollte schon im Diesseits helfen, engagierte sich in einem Gesellenverein und entwickelte mit einer erstaunlichen sozialpädagogischen Begabung als zweiter Präses des Vereins ein neuartiges soziales Netzwerk bis hin zur Gründung des ersten Gesellenhospizes 1853.
Kolping veröffentlichte eine programmatische Begleitschrift „Der Gesellenverein“, die zur Handlungsanleitung gedieh, und gab dazu mehrere kirchliche Blätter heraus, die zum Sprachrohr seiner sozialpädagogischen Absichten wurden. Der ungewöhnliche katholische Priester erregte über die Region hinaus Aufsehen, wurde zum Kölner Domvikar berufen und unternahm in den Folgejahren immer wieder Agitationsreisen quer durch Deutschland, um sein soziales Netzwerk auszubauen.
Mit Erfolg. Überall entstanden Gesellenvereine, die er im „Kolpingverein“ zusammenschloss. Kolpings Vorbildwirkung überwand Ländergrenzen. Sein soziales Vereinswesen breitete sich in ganz Europa aus und erreichte auch die USA. Das sorgte bei den Kirchenoberen für ein Umdenken in der Sozialpolitik.
1862 wurde der sozialpolitische Vordenker in Anerkennung seiner Verdienste zum päpstlichen Geheimkämmerer und zum Rektor der Kölner Minoritenkirche erhoben. Sein Wort hatte Gewicht.
Kolping ging es vorbildhaft um einen sozialen Wandel durch eine erzieherische Veränderung des Menschen im Kontext mit einer besseren sozialen Betreuung. Damit entwickelte er sich vom anfänglichen „Gesellenvater“ im gewissen Sinne zu einem „Propheten und Wegbereiter eines neuzeitlichen Katholizismus“.
Darüber starb der rührige Vorbild-Katholik nach längerer Krankheit am 4. Dezember 1865 im Gesellenhaus an der Breiten Straße in Köln. Seine letzte Ruhe fand er in der Kölner Minoritenkirche, die bis heute als Heiligtum der Kolpingjünger gilt.
Schon im Todesjahr zählte sein neuartiger sozialer Kolpingverband für ein „sozialeres Christentum“, der dann in „Kolpingwerk“ umbenannt wurde, international rund 25 000 Mitglieder.
Helfer der Menschheit
Kolpings Lebenswerk überstand die Nazizeit und ist bis heute wirksam. Das gilt auch für Wilhelmshaven. In vielen Orten gibt es inzwischen Gedenktafeln und Kolpingstraßen. In der Reihe „Helfer der Menschheit“ brachte die Post 1955 eine Sonderbriefmarke zu Kolping heraus. Dazu gibt es eine umfangreiche Literatur, die sich mit dem Wirken und der Bedeutung des herausragenden katholischen Sozialreformers beschäftigt.
Die Kolpingfamilie Wilhelmshaven wird seit 2017 von Eckhard Stein geleitet.
(Weiterf. Lit. Paul Steinke: Leitbild für die Kirche: Adolph Kolping. Bonifatius GmbH. Paderborn 1992 // Hans- Joachim Kracht: Adolph Kolping. Priester, Pädagoge, Publizist. Im Dienst christlicher Sozialreform. Leben und Werk aus den Quellen dargestellt. Herder. Freiburg 1993
Ein kleines Zeichen schafft Kontakte!
Die vier Mitglieder unserer Kolpingsfamilie, die jetzt zu einem „runden Geburtstag“ eingeladen waren, fielen unter den anderen Gästen eigentlich nicht auf. Nur ein Neffe des Jubilars, als Begleitung für seine Mutter aus Canada angereist, stutzte. Das Kolping „K“ an den Revers von Klaus Hanschen und Bernd van Kampen war ihm aufgefallen.
„Ich bin Andy Hermann von der Kolpingsfamilie St. Bonifatius in Edmonton, Canada!“
Fast war es ihm unangenehm, nicht auch seine „Kolping Nadel“ angesteckt zu haben. Aber wer geht bei Antritt einer Reise von Canada nach Europa davon aus, dass das weltweite Erkennungszeichen der Kolpingsfamilien dabei von Bedeutung sein könnte.
Die Kolping Society of Edmonton wurde im November 1960 von eingewanderten Kolpingmitgliedern aus Deutschland gegründet. Abgesehen vom Alter der Kolpingsfamilie St. Bonifatius, unsere Kolpingsfamilie Wilhelmshaven wurde 1883 gegründet, sind viele Parallelen erkennbar. Die Grundsätze des Kolpingwerkes sind selbstverständlich identisch. Und daran orientiert sich die Arbeit in Canada ebenso wie in Deutschland. Besonders aber, dass die Kolping Geschwister in Canada ebenfalls ein Hilfsprojekt haben. Nicht gerade in Litauen, sie haben eine Partnerschaft mit Kolping in Tansania, Afrika, geschlossen. 1995 konnten sie mehrere Container mit handgefertigten Tischlerwerkzeugen an ein Tischler-Ausbildungszentrum in der Nähe von Bukoba am Viktoriasee schicken.
Wie auch unsere Kolpingsfamilie werden sie von Sponsoren und der katholischen Gemeinde von Edmonton unterstützt. So haben sie zwei Fahrzeuge erworben und Hilfsgüter (Krankenhausausrüstung, Fahrräder, Computer, Werkzeuge, nicht verderbliche Lebensmittel und Haushaltswaren) gesammelt und in zwei Überseecontainern nach Afrika verschifft.
Es würde den Rahmen sprengen, wenn an dieser Stelle weiter über das Gespräch mit Andy Hermann berichtet würde.
Es reicht nur ein Satz: